
Im März 2020 hat Corona Einzug gehalten in mein Leben. In unser aller Leben. Zu Beginn dieser Pandemie ging es mir ähnlich wie vermutlich vielen anderen auch. Das Neue, Unsichere, Unwägbare der Gesamtsituation hat einmal alles durchgerüttelt. Zumindest das Erregungsniveau deutlich hochgesetzt. Dabei hätte ich das damals anders ausgedrückt. Ich fühlte mich nämlich plötzlich sehr hellsichtig. Als würde mir die Krisensituation eine Brille aufgesetzt haben, die mir ermöglicht, bisher unscharfe Details in großer Klarheit zu erkennen. Als würden sich Ahnungen der Vergangenheit auf wundersame Art kondensieren zu einer gegenwärtigen Einsicht in größere Zusammenhänge. Endlich schien sich die Chance zu eröffnen, mit vielen über das zu sprechen, was mich immer schon am menschlichen Zusammenleben bewegt: das scheinbar Unsichtbare, die mächtigen Kräfte des Unbewussten. Zudem schien mir der Mut verliehen worden zu sein, mich dazu auch ungefragt und auftragsfrei zu äußern. Nicht zuletzt dieser Blog resultiert aus diesem persönlichen inneren Krisenmanagement.
Mitterweile ist ein bisschen Zeit ins Land gezogen. Ich habe mich quasi normalisiert. Fühle mich nicht mehr so besonders hellsichtig, sondern zweifle vielmehr täglich an meinen Überzeugungen und Wahrnehmungen. Erkenne meinen engen Interpretationsrahmen immer wieder aufs Neue. Ich erwarte folgerichtig keinen Nobelpreis mehr für meine kleinen Beiträge hier an dieser Stelle. Aber ich habe verstanden, dass dies möglicherweise nicht unbedingt die Voraussetzung dafür ist, um mir dennoch das Sprechen zu erlauben. Weil ich schlichtweg Lust dazu habe. Zu sprechen und zu schreiben von all den Kleinigkeiten und Banalitäten des Alltags, welche ich beobachte und über die ich nachdenke. Begegnungen, die mich verwirren, verstören, verärgern, irgendwie berühren. Auf jeden Fall anregen, ein paar Worte darüber zu verlieren, weil im Gespräch mit anderen nichts auch nur annähernd erschöpfend behandelt werden kann. Ob ich jemals ein Buch schreiben werde über die Psychoanalyse, wie ich sie verstehe und praktiziere, sei dahingestellt. Lust hätte ich große. Aber während ich altere und reife und noch mehr Mut fasse, übe ich derweil hier ein wenig zu spielen mit meinen Gedanken und Gefühlen, meinen Worten, der Satzstellung, dem Textaufbau, Spannungsbögen und so weiter. Ich begegne meiner Zeigelust und der gleichzeitigen Scham darüber, meinen Minderwertigkeitsgefühlen, aber auch meinem Stolz, wenn es dann doch mal gelingt, etwas auszuformulieren. Auch wenn es zig Andere klüger, eloquenter, präziser ausdrücken könnten oder schon getan haben.
Ich freue mich, wenn der ein oder andere mitliest. Kommentiert. Wiederkommt.