Hören mit dem dritten Ohr

Assoziative Reflexionen zur inneren und äußeren Welt

„Ein Ausstieg aus dem, was alle als Welt betrachten, ein Sich-Lossagen von der sogenannten Realität, um „einen Raum von hohem symbolischen Wert zu eröffnen“ – das kann der entscheidende Schachzug sein, um die Realität zu verändern.“ (Massimo de Carolis‘ anthropologisches Paradox, zitiert in Luisa Muraro (2015). Nicht alles lässt sich lehren. Rüsselsheim: Christel Göttert Verlag.) …

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…beziehungsweise wann es Zeit ist, sich zu trennen, um wieder Hoffnung zu finden für das eigene Leben. Und warum manche Trennungen wiederum besser vermieden werden sollten, weil es danach auch nicht besser wird. Und der verlorene Partner die Chance fürs Leben gewesen wäre. Ein selbständiges. Das eigene. Ein etwas langatmiger Titel. Aber ich muss mich …

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neben allen assoziativen Reflexionen erlaube ich mir einen etwas anderen Post. Er soll Gelegenheit zum durchatmen geben und einen Moment der Zuversicht und Kontemplation spenden. Bei meinen Recherchen zum „schwedischen Weg“ bin ich auf diesen Song gestossen, dessen Text ich hier für die geneigte Leserschaft versuchen möchte, frei ins Deutsche zu übersetzen. Vielleicht hilft er …

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Lieber L. M., Danke für deinen ellenlangen Kommentar zu meinem Text „Über Verantwortlichkeit“. Auch wenn ich deinen Hinweis darauf, dass dein Schreiben natürlich nichts Eigenkreatives deinerseits, sondern eine reaktive Auseinandersetzung mit meinem Kommentar auf deinen Kommentar zu einem wiederum vormaligen Beitrag meinerseits darstellt, verstanden habe…Sollte es deine innere Struktur nicht zu sehr unangenehm durcheinander bringen, …

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Heute war ich zum ersten Mal wieder beim Frisör. Mit der ganzen Familie. Natürlich nacheinander. Mit desinfizierten Händen ab Eingang. Schutzmasken. Abstand. Latexhandschuhen beim Haarewaschen. Kopfwaschgang verpflichtend. Auch der Frisör hat über die letzten Wochen an Gewicht gewonnen. Seine Kollegin hingegen war noch sportlicher anzusehen als schon vor sieben Wochen. Sie arbeiten Rücken an Rücken. …

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Über Verantwortlichkeit

7. Mai 2020


Lieber L.M.,

Du hast heute meinen letzten Beitrag kommentiert. Und obwohl ich darauf bereits geantwortet habe, sind mir noch zu viele Dinge offen, die mich umtreiben. Die ich unbedingt aussprechen muss. Die mich wirklich aufwühlen. Dabei habe ich keine Ahnung, ob ich Dich richtig verstanden habe. Welche Botschaft da bei mir angekommen ist. Und auf was ich reagiere. Aber ich will es verstehen. Meine Gefühle verstehen. Denn ich bin wirklich aufgebracht. Allerdings gibt es dafür heute viele Gründe. Ich habe am Morgen erfahren, dass ein Schüler an der Schule meines Sohnes sich vergangene Woche das Leben genommen hat. Es steht eine Gedenktafel in der Grundschule neben dem Musikzimmer. Die Musiklehrerin hat uns informiert. Sie hätte das nicht müssen. Sie wollte, dass wir das erfahren. Bevor mein 9jähriger das nächste Mal die Schule betritt. Das hat mich volle Breitseite erwischt. Ja. Menschen nehmen sich das Leben. Ja. Auch Schüler. Ja. Es gibt Verzweiflung durch alle Altersklassen. Durch alle Schichten. Aus vielen Gründen. Und ja. Vielleicht hätte sich dieser Schüler auch ohne Corona das Leben genommen. Vermutlich. Möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt. Weil er ganz ohne virale Bedrohung nicht die Zuversicht in sich finden konnte, dass dieses Leben etwas für ihn bereit hält. Aber es ist Corona. Und wir können das nicht außen vor lassen. Ich habe schon lange Angst vor der Verzweiflung, die sich in der Breite Bahn brechen könnte. Die Verzweiflung, die schon vor Corona da war. Die jetzt aber nach oben gespült wird, weil eine Massenbewegung in Gang ist. Und die Erschütterung des kollektiven Unbewussten nicht spurlos an uns vorübergeht. An keinem. Man kann hingucken. Oder es lassen. Ich bevorzuge ersteres.

Ich habe heute morgen sehr spontan, einem wirklich intuitiven Bauchgefühl folgend, als ich an die junge Frau gedacht habe, die mit einer lebensfrohen, einfühlsamen Begeisterung unsere Kinder hütet, dass es eine wiederkehrende Freude ist, sie gefunden zu haben, eine kurze Notiz in diesem Blog geschrieben. Über ihre Oma, die verstorben ist. Was sie wirklich sehr traurig macht. (Was ich nicht als Selbstverständlichkeit betrachte. Blutsverwandtschaft verpflichtet nicht zu Traurigkeit. Aber sie ist wirklich traurig.) Und sie zweifelt in ihrer Seele, ob sie nicht auch ein wenig Schuld am Tod ihrer geliebten Großmutter trägt. Es war ein sehr feines Gefühl von Schuld, das ich wahrgenommen habe. Keine Schuld in dem Sinne, etwas falsch gemacht zu haben, was ohne Weiteres richtig zu machen gewesen wäre. Keine Selbstvorwürfe. Keine Beschuldigung anderer für Regeln, die man selbst befolgt hat. Nichts von alledem. Es war vielmehr ein leises Zweifeln über das zurückliegende Handeln. Und ob es Alternativen gegeben hätte. Ob es nicht doch möglich gewesen wäre, die Oma zu besuchen. Wo man doch wusste, wie sehr sie unter dem Alleinsein litt. Wie wenig sie es verstehen konnte. Welche Phantasien sich daran möglicherweise knüpften. Alleinsein kann Gespenster hervorrufen, die einen das fürchten lernen. Oder sterben lassen wollen. Gut. Sie war 82. Vielleicht wäre sie eh bald gestorben. Aber es ist Corona und wir kommen an dieser Tatsache nicht vorbei.

Lieber L.M., Du hast also kommentiert. Und ich möchte wirklich verstehen, was DU meinst. Und ich versuche dafür, zur Verfügung zu stellen, was ICH beim wiederkehrenden Lesen deines Kommentars empfinde und mit einer gewissen Distanz denke. Vermutlich ist es nur die Hälfte dessen, was man dazu denken könnte. So ist es ja immer.

Es sei ein großes Fass, was ich da aufmache. Ja. Zugestimmt. Auf ganzer Ebene. Außer einem Einwand. Das große Fass war schon auf. Seit die globale Pandemie um sich greift und alle Nationen unterschiedlichster Couleur darauf mehr oder weniger umfassend reagieren und seit die Bilder der zusammenbrechenden Gesundheitssysteme aus den Nachbarländern uns erreicht haben. Seitdem sind wir alle in Alarmbereitschaft. Die ganze große Gruppe Menschheit. Die Angst hat zugeschlagen. Und es scheint mir eine ziemlich tiefgehende Angst zu sein. Angst macht ja nun bekanntermaßen dumm. Und zwar alle. Auch diejenigen, die ansonsten mit ausreichend Denkvermögen gesegnet sind. Und Angst ist unberechenbar. Wir wollen sie nämlich alle so schnell wie möglich wieder loswerden. Am besten noch bevor wir sie spüren müssen. Denn vielleicht könnten wir das Zittern, das panische Beben, das ganze aufgerührte Vegetativum nicht ertragen. Schocksterben – gibt es das? Vermutlich könnten wir es nicht aushalten. Nein. Also schnell weg damit. Egal mit welchen Methoden. Egal wie. Nur weg damit. Irgendwelche Sicherheiten müssen her. Um Wahrheit geht es jetzt nicht. Später wieder. Jetzt geht es um Sicherheit. Ich weiß, von was ich spreche. Und ich hatte bisher noch keine Angst vor dem Virus. Aber ich hatte Angst. Angst, wie meine Patienten das verkraften würden. Angst, dass mein Arbeitsplatz verloren gehen könnte. Dass ich mein Team, die Menschen, die mir Rückhalt geben, verlieren könnte. Angst, dass meine Familie daran zerbricht. Angst, dass mein Sohn depressiv wird und ich nur zuschauen kann, weil ich ihm keine sozialen Kontakte zur Verfügung stellen kann. Angst davor, dass alle paranoid werden. Auch die besten Freunde nicht mehr erreichbar sind. Angst, dass Traumata unkontrolliert hervorbrechen könnten. Wir uns darüber die Köpfe einschlagen. Bevor es kein Klopapier mehr gibt. Angst, dass das alles nie vorbei geht. Nach Corona eine schlimmere Epidemie kommen könnte. Die auch Kinder betrifft. Meine Kinder betreffen könnte. Nicht nur die Alten. Und dann? Angst vor Einsamkeit hatte ich eigentlich nicht. Mir ist aufgefallen, wie einsam ich bereits die letzten Jahre oft war. Ja, ich hatte in den letzten Wochen viele Ängste. Und ich habe viele Menschen mit Ängsten gesehen. Unterschiedlichster Art. Und das waren bei weitem nicht nur meine Patienten, falls das jemanden trösten würde.

Ich traue in diesen Tagen niemandem, der behauptet, er habe zu keinem Zeitpunkt Angst gehabt in den letzten Wochen, der behauptet, das sei alles eine große Hysterie, politische Machtspiele, ein Ausdruck unserer bisher verleugneten Angst vor der Klimakatastrophe, ein Witz, eine Verschwörung…oder sonst irgendetwas rational zu Wissendes. All diejenigen, die derzeit so tun, als gebe es auch nur annähernd etwas Sicheres zu wissen in dieser unübersichtlichen Sache, verstehen meiner Ansicht nach recht wenig. Und während ich das sage, muss ich schmunzeln, denn ich behaupte natürlich auch mit felsenfester Überzeugung, dass wir alle Angst haben und dass das Problem sei. Meine kleine psychologische Perspektive. Genau. Wir können schlichtweg nicht anders, als mit unseren gewohnten Sichtweisen und Sicherheiten zu plädieren, um sicheren Boden unter die Füße zu bekommen. Das ist ja auch immer so. Und als Einzelindividuen haben wir ja immer einen im Grunde so unbedeutenden Blick auf das große Ganze, dass es ein Wunder ist, dass sich überhaupt so viele Menschen trauen, irgendetwas zu äußern. Und deswegen, weil es eigentlich klüger wäre, die Klappe zu halten, ist es gerade so wichtig, dass man überzeugt von sich und seinen Überzeugungen ist, bereit, den eigenen Blick für unverzichtbar zu halten. Denn während das einerseits eine narzisstische Verkennung darstellt, ist es ja andererseits essentiell, sich kundzutun. Um in Verbindung treten zu können mit anderen, abweichenden Sichtweisen. Um sich bestenfalls gemeinsam dem großen Ganzen nähern zu können. Aber eben das ist verdammt schwere Politik. Und beim Wort Politik komme ich auf deinen Kommentar zurück. Denn deine Forderung, der „wenig greifbaren und für die meisten Menschen abstrakten, rationalen Komponente gleichberechtigt Raum“ zu geben, hat mich plötzlich verstehen lassen, warum Menschen die AfD wählen. Und bitte verstehe mich nicht falsch. Ich halte nicht DICH für überheblich. Aber in dieser Ausdrucksweise schwingt eine Art Sich-Über-Etwas-Stellen mit, die mich wirklich kränkt. Nicht persönlich, da bin ich zu selbstsicher. Aber es ist dieser leichte Hauch von intellektueller Überheblichkeit, auf den ich aufgrund meiner proletarischen Herkunft sehr empfindlich reagiere. Dieses „Ich habe den Punkt verstanden, während die anderen noch in ihrer Emotionalität gefangen sind.“ Oder habe ich Unrecht? Und springt eben doch nur meine ganz eigene, persönliche Empfindlichkeit an, von der ich so schlecht absehen kann. Ich halte das durchaus für eine realistische Vorstellung. Deshalb wäre ich froh, du würdest dich dazu äußern. Möglicherweise bin ich an diesem Punkt deines Kommentars schon ausgestiegen. War mein Blutdruck schon zu hoch, um wirklich klug weiterzudenken. Nun sind einige Stunden vergangen, der Blutdruck ist bei der Beschäftigung damit immer noch hoch, aber ich versuche mich zu mäßigen. Und von Zeile zu Zeile werde ich ruhiger. Noch einmal. Ich will deine Position wirklich verstehen. Was meinst du mit dieser „wenig greifbaren rationalen Komponente“, die für die „meisten Menschen zu abstrakt“ wäre? Sprichst du von der Wahrscheinlichkeit, eher an Corona als an Einsamkeit zu sterben, wenn man 82 Jahre alt ist? Moment. Das klingt zynisch. Woher kommt das? Ich ärgere mich über eine Annahme, die ich hinter deiner Formulierung heraushöre. Vielleicht eine Unterstellung. Daher versuche ich zu erläutern. Ich höre, dass du von einer rationalen Komponente ausgehst. Die zwar insgesamt wenig greifbar ist, für dich aber eventuell schon. Und dass die meisten Menschen so abstrakt nicht denken. Was meinst du? Dass es Ansteckungsrisiken gibt? Dass Abstandsregeln und Mundschutz gut sind, um diese zu minimieren? Dass es gut ist, eine Krankheit, die sich epidemisch ausbreitet und „schlechte“ Gesundheitssysteme zum Kollaps bringt, zu verlangsamen und irgendwie unter Kontrolle zu bringen? Da wären wir völlig einer Meinung. Ich bin keine Abseitige oder Kamikaze-Denkerin. Ich frage nur. Warum sollte das zu abstrakt für die meisten Menschen sein? Das ist doch relativ leicht zu verstehen. Haben ja auch sehr viele verstanden. Schließlich war die Zustimmung in unserem Land für einen Shutdown enorm hoch. Viele hätten sich sogar noch härtere Maßnahmen gewünscht. Die Sehnsucht nach einem starken Führer war auch unverkennbar. Die deutsche Seele ist träge.

Du schreibst, dass die Frage der Verhältnismäßigkeit – so hatte ich meinen Beitrag genannt – eine wichtige sei. Um sich einer Antwort anzunähern, bräuchte man aber die Kenntnis der Wahrscheinlichkeit. Welche Wahrscheinlichkeiten? Ich unterstelle dir hier wieder etwas. Um Gottes Willen. Ich bin furchtbar. Also. Zweierlei. Erstens unterstelle ich, dass du – möglicherweise aus deiner persönlichen/beruflichen/fachlichen Perspektive die medizinischen/physiologischen Wahrscheinlichkeiten meinst. Die medizinische Gefahr durch das Virus. Die Gefahr für unseren Leib. Das körperliche Leben. Die Unversehrtheit unserer Organe. Da kann ich nicht mitreden. Ich weiß zu wenig. Auch wenn man in diesen Tagen ja schnell und viel lernen kann. Allerdings Widersprüchliches. Denn auch die Wissenschaftler sind sich ja keineswegs einig. Oder in nur sehr wenigen Punkten. Und nachhaltig ist das Wissen auch nicht unbedingt. Dafür ändert es sich zu schnell. Ich sehe vor allem Todeszahlen. Die sind hoch. Aber nicht allzu hoch. Sie ereignen sich schnell. Das ist beunruhigend. Sie greifen um sich. Gehen um die ganze Welt. Diese Geschwindigkeit ist beunruhigend. Und diese Unkontrollierbarkeit. Diese Unsichtbarkeit der Gefahr. Die wir durch Testungen offensichtlich machen wollen. Ich kann die Wahrscheinlichkeit der Gefahr schlichtweg nicht einschätzen. Vor allem welche Wahrscheinlichkeit für wen? Das Individuum? Welches? Die Oma? Meinen Partner? Mich? Was davon muss ich einschätzen? Was würde mich am meisten ängstigen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für die Gruppe zu erkranken? Und dann. Was, wenn die Gruppe nicht mehr funktioniert? Auseinanderfällt. Alle davonrennen in alle Himmelsrichtungen. Vereinzelt. Splittergruppen. Ich assoziiere. Was meinst du mit Wahrscheinlichkeiten, die man braucht, um eine rationale Entscheidung zu treffen? Was ist die Art von Wahrscheinlichkeit, mit der du derzeit hantierst? Worin macht dich das wie sicherer? Ich sehe Menschen in Aufruhr. Menschen in finanziellen Nöten. Mit Existenzangst. Menschen, die ihren Unmut nicht mehr kontrolliert bekommen und zuschlagen. Noch häufiger als bisher schon. Ich sehe Kinder ohne Sozialkontakte. Du kennst die Forschungsergebnisse zur Bedeutung sozialer Kontakte zum Schutz vor Erkrankungen wahrscheinlich besser als ich. Ich weiß nur, dass meine Evidenz das sicher weiß. Ich sehe Verzweiflung. Nicht die oberflächliche. Die in der Tiefe. Die auch schon da war. Und jetzt hochkommt, wo die Gruppe nicht mehr hält. Ich sehe Politiker, die sich aufblähen wie eh und je. Starke Reden schwingen. Sicherheiten versprechen. Ach ja. Welche Sicherheiten? So leicht bin ich nicht zu trösten. Ich sehe schon zu lange eine Politik, der ich nicht zutraue, dass sie sich wirklich kritisch reflektiert. Fehler zugibt. Nachbessert. Sich der eigenen Scham stellen könnte darüber, dass man zweifelhafte Dinge getan hat, nur um scheinbare Sicherheiten zu schaffen. Die sich aber als falsch herausgestellt haben. Ich habe große Sorge, dass nach dieser ganzen Sache die Rechtspopulisten auch in Deutschland wieder richtig angesagt sein werden. Denn es gibt genug Futter für sie, auf dass sie sich gierig stürzen können, wenn die Angst nur ein wenig abnimmt. Und sie haben verdammt noch mal recht. Wenn Menschen sich öffentlich präsentieren und mit ihren dicken satten Bäuchen verkünden, sie verstünden die Ängste der Menschen und nun müsse man halt zusammenhalten und das, was man gesagt hat, sei nicht falsch gewesen, sondern eben nur nicht ganz richtig, aber daran sei ja jemand anders schuld und wenn der nur…, dann hätte man es ja auch besser gemacht. Nein. So nicht. Ich bin völlig abgewichen. Entschuldige. Welche Wahrscheinlichkeiten meintest Du, die man zum Thema Verhältnismäßigkeit berücksichtigen müsste?

Zweitens (es gab mal einen Beginn meines roten Fadens, finde ihn, wer wolle) unterstelle ich dir, dass du mir einerseits tröstend zustimmst („Ja, du hast ja recht, Verhältnismäßigkeit ist wichtig.“), im gleichen Atemzug aber deine Sichtweise als diejenige in den Raum stellst, welche handlungsleitend für eine angemessene Schlussfolgerung wäre. Du beziehst dich ja auf die wenig greifbare rationale Komponente, welche miteinbezogen werden sollte. Womit du ja, es geht weiter mit Unterstellungen, mir attestierst, ich hätte das nicht getan, als ich den emotionalen Text zum Tod der Großmutter, der Trauer der Enkelin sowie die Schuldthematik ins Spiel gebracht habe. Ich weiß nicht mehr, ob ich dir das wirklich vorwerfen will. Irgendwie reicht es. Ich bin erschöpft.

Über eine Antwort würde ich mich riesig freuen. Und bitte: ich will über Verantwortlichkeit sprechen. Ich will, dass wir an der Basis der Politik, wir, die fähig sind zu denken, wir, die unterschiedliche Standpunkte in dieser Geschichte vertreten, miteinander sprechen. In gegenseitigem Respekt den Konflikt wagen. Damit die Gruppe nicht auseinanderrennt. Und jeder allein bleibt als Ergebnis des Social Distancing. Thema verfehlt.

PS: Wie beurteilst du eigentlich den schwedischen Weg der Eigenverantwortung? Haben die vielleicht weniger Angst, weil sie mehr auf ihre individuelle Urteilsfähigkeit bauen als auf einen starken Staat? Es gibt viele Fragen, die man sich derzeit stellen kann.

Vergangenen Sonntag ist die Oma unserer Babysitterin verstorben. 82 Jahre. Nicht mehr ganz jung. Aber fit. Lebte noch zuhause, konnte sich selbst versorgen. Ihr Tod war nicht zu erwarten. Und doch schien ihre Enkelin nicht überrascht. Diese hatte nämlich schon vor vier Wochen verstanden, dass das Leid der Einsamkeit ihrer Großmutter durch die Kontaktbeschränkungen immens …

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Wie kann ich einen Brief schreiben, der keiner ist? Der einen Adressaten hat und dennoch nicht. Der gerichtet ist und gleichzeitig die Richtung noch gar nicht kennt. Ich muss es ausprobieren, wenn ich weiterkommen möchte in dieser Auseinandersetzung mit mir selbst über den Weg eines Anderen. Ich will schreibend in mich hineinhören, da ich bisher …

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Es ist schon witzig. Seit Jahren denke ich darüber nach, über ein psychoanalytisches Thema zu promovieren. Mich also über einen längeren Zeitraum mit einer spannenden Frage systematisch zu beschäftigen und nebenbei noch einen schicken Doktortitel zu erstehen. Mal davon abgesehen, dass mir mein Leben dafür eigentlich kaum Freiräume lässt und es zudem nur noch wenige …

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